Wie lebten Menschen unterschiedlicher Konfessionen in der Enge der frühneuzeitlichen Stadt zusammen? Noch dazu, wenn das Recht ihre Situation nicht regelte? Die Studie sucht fünf kirchliche Räume Speyers auf, in denen die Konfessionen in unterschiedlichen Konstellationen aufeinander trafen: die reformierte Kirche St. Ägidien, das Simultaneum in der Dominikanerkirche, den Speyerer Dom, das Jesuitenkolleg und die Ratskirche. Die lokative Herangehensweise bereichert Reformationsgeschichtsschreibung und Konfessionalisierungsforschung. Wo Geistliche die neue Lehre einführten, welche Konflikte dabei entstanden und wie diese gelöst wurden – all dies hat mit den Kirchen, ihren Patronen und Pfarrern, ihren Traditionen und ihrer Geschichte, ihren Gemeindestrukturen und Netzwerken und ganz entscheidend mit bereits vorhandenen Konflikten zu tun. Die Konfessionalisierung dieser Kirchen ging oft mit der Konfessionalisierung von Wissen einher. Die unterschiedlichen Konfessionsgruppen entwickelten dabei sehr verschiedene Wissensbestände. Wissen über Religion und christliche Existenz, Gewohnheit und Geschichte, Recht und Raum. Mit ihnen argumentierten sie im Konfliktfall um die konfessionelle Ausrichtung einer Kirche. Schließlich dient die frühe Speyerer Konfessionalisierungsgeschichte hier als Modellfall des Augsburger Religionsfriedens. Seine Leistungen und seine Grenzen werden unmittelbar deutlich – und auch, warum die Kombination von konfessioneller Unbedingtheit und alltagstauglicher Pragmatik keine dauerhaften Lösungen ermöglichte.
Über den Autor
Dr. Daniela Blum war Kollegiatin im DFG-Graduiertenkolleg „Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800)“ und ist seit 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen.
Inhaltsverzeichnis
1. Ökumene nach der Reformation?
2. Bekenntnis und soziale Praxis in der frühneuzeitlichen Stadt
3. Eine Wirkungsgeschichte des Augsburger Religionsfriedens