Der Presbyter Sedulius verfaßte im fünften Jahrhundert n. Chr. sein Paschale Carmen, das Hauptwerk der mittleren neutestamentlichen Bibelepik. Als einer der am stärksten rezipierten Autoren des christlichen Abendlandes blieb sein Einfluß bis ins 18. Jh. hinein groß.Nach seiner Bekehrung widmet Sedulius seine poetische Begabung ganz dem christlichen Glauben. Er greift auf nichtchristliche wie christliche Inhalte und Formen gleichermaßen zurück, um sein Konzept einer heilsgeschichtlichen Erzählweise am Text der Evangelien umzusetzen: In ein entkerntes narratives Gerüst baut der Dichter unter Verwendung epischer Erzähltechnik affektive wie exegetisch-theologische Inhalte ein. Dabei unterwirft er nicht nur erzählerische Elemente exegetischen Zwecken („exegetische delectatio“). Als erster Vertreter der neutestamentlichen Bibeldichtung vermittelt er darüber hinaus vorlagenfremde exegetische Inhalte über ästhetische Formen und verschmilzt beides zu einer für das Paschale Carmen spezifischen „ästhetisierten Exegese“. Auf diese Weise entsteht ein für Katechumenen bestimmter Text, der in zunächst paränetischer, erst dann missionarischer Absicht auf den Rezipienten einwirken und ihn vom Hörer zum Täter des Wortes machen soll. Sedulius zeigt in seiner Dichtung durch diese eigenständige „poetische Erbauung“ Ansätze einer genuin christlichen Ästhetik.Das vorliegende Buch geht dem in zweifacher Weise nach: In einem Kommentar wird die Darstellung der Passion Christi bis hin zur Verurteilung Jesu durch Pilatus (carm. Pasch. 5,1–163) philologisch erschlossen, in Übersetzung vorgelegt und hinsichtlich der Textgenese im Bezugsfeld von biblischer Vorlage, kirchlicher Auslegung und heidnischer Poesie analysiert.In den Studien wird in Verknüpfung mikro- und makropoetologischer Überlegungen die erbauliche Konzeption des Werkes herausgearbeitet, in Beziehung zur zeitgenössischen Theologie und Kirche gesetzt und schließlich als poetologisches Programm des Paschale Carmen erwiesen.