"Exegese wider den Strich" ist das Markenzeichen von Karlheinz Müller, der mit dieser Festschrift - wider den Usus - anlässlich seiner Emeritierung geehrt wird. Durch seine diversen, von ihm gern als "Anmerkungen" bezeichneten Beiträge hat er scheinbar festzementierte Forschungsstandards hinterfragt und aufgebrochen. Was die Vorstellung vom jüdischen "Gesetz" angeht, hat er einen nachhaltigen Paradigmenwechsel initiiert, nicht viel anders bei den Themen "frühjüdische Apokalyptik", "Auferweckung aus den Toten" oder im Fall der historischen Rekonstruktion des Prozesses Jesu.
Die Festschriftbeiträge versuchen, in diesen Spuren zu gehen und nehmen aus den unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten der einzelnen Autoren, oft in Korrespondenz zu Ansätzen aus dem Müllerschen Œuvre, Paradigmen unter die Lupe bzw. stellen neue Paradigmen vor: Erich Zenger führt das neue Paradigma der Psalterexegese am Beispiel der Wallfahrtspsalmen vor. Hans-Josef Klauck praktiziert "Religionsgeschichte wider den Strich" an ausgewählten Beispielen. Gerhard Dautzenberg deckt Beziehungen zwischen der Eschatologie der Offenbarung und dem paulinischen "Evangelium" auf. Burkhard Hose behauptet ausgehend von Mk 10,17-27 die bleibende Heilsrelevanz des Gesetzes. Johann Maier präsentiert die frühjüdische und rabbinische Wirkungsgeschichte von Gen 18,21 als Reflexionsprozess über die Handlungsfreiheit Gottes. Theodor Seidl lotet die Mehrdeutigkeit des massoretischen Textes von Ps 56,9 und den Horizont der Metaphern "Tränenschlauch" und "Lebensbuch" aus. Ferdinand Hahn hellt die komplizierten hermeneutischen Vorgänge beim Übergang der christlichen Botschaft von der hebräisch-sprachigen in die griechisch sprechende Welt auf. Bernhard Heininger geht anhand von EvThom 114 den Ursprüngen und Intentionen der Aufhebung der Geschlechterdifferenz im Urchristentum nach. Martin Ebner liest den Einsetzungsbericht Mk 14,22-24 gegen den Strich.
Inhaltsverzeichnis
Gerhard Dautzenberg
Die siebte Posaune. Beobachtungen zur Eschatologie und Christologie der Offenbarung des Johannes in ihrem Verhältnis zur paulinischen Theologie und zur frühjüdischen Eschatologie
S. 1–16
Martin Ebner
Die Etablierung einer „anderen“ Tafelrunde. Der „Einsetzungsbericht“ in Mk 14,22–24 mit Markus gegen den Strich gelesen
S. 17–46
Ferdinand Hahn
Sprache, Übersetzung und Aneignung des biblischen Zeugnisses
S. 47–62
Bernhard Heininger
Jenseits von männlich und weiblich: Das Thomasevangelium im frühchristlichen Diskurs der Geschlechter. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Jesustradition
S. 63–102
Burkhard Hose
Reich Gottes kontra Gesetz? Anmerkungen zur bleibenden Heilsrelevanz des Gesetzes
in Mk 10,17–27
S. 103–116
Hans-Josef Klauck
Religionsgeschichte wider den Strich – ein Perspektivenwechsel?
S. 117–140
Johann Maier
Beobachtungen zum Text von Gen 18,21
S. 141–154
Theodor Seidl
Tränenschlauch und Lebensbuch. Syntax und Semantik von Psalm 56,9
S. 155–172
Erich Zenger
Die Komposition der Wallfahrtspsalmen Ps 120–134. Zum Programm der Psalterexegese
S. 173–190
Werkverzeichnis Karlheinz Müller
S. 191–196
Sachregister
S. 197–200
Sach- und Personenregister
S. 201–204
Autorenregister
S. 205–207
Mitarbeiterverzeichnis
S. 208