Die lutherische Reformation und Konfessionsbildung im historischen Ungarn und Siebenbürgen waren, ähnlich wie das landestypische Reformiertentum, stark durch den Humanismus und das Denken Melanchthons beeinflusst. Die lutherischen Sprachgruppen – Deutsche, Slowaken, Magyaren, Slowenen, teilweise auch Kroaten – lebten bis 1918 in friedlicher, kulturell anregender Koexistenz. Sprache und Konfession waren im historischen Ungarn nicht deckungsgleich: Neben der Konfessionsbildung entwickelten sich auch in den einzelnen lutherischen Sprachgruppen konkurrierende Identitäten und Ordnungsvorstellungen. In der slowakischen Nationsbildung im 19. Jahrhundert spielte die lutherische Bildungselite eine ähnlich große Rolle wie im ungarischen Nations- und Staatsbildungsprozess die reformierte. Das Luthertum in Ungarn und Siebenbürgen, dessen Spezifik nur interdisziplinär begriffen werden kann, war auch stets in einen Kommunikationsraum des internationalen Luthertums eingebunden, den Migration und Wissenstransfer prägten.
erschienen 25.10.2017 Bandnummer 167 ISBN 978-3-402-11599-2