In der neuen wissenschaftsgeschichtlichen Forschung werden Politik und Wissenschaft als interagierende Systeme verstanden. Für die Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Münster bedeutet dies, den Einfluss der staatlichen Wissenschaftspolitik auf die Fakultät sowie den politischen Interventionen der münsterschen Professoren nachzugehen. Die Universitätsgründung 1902 sowie die konfessionell ausgewogene Besetzungspolitik waren Mittel zur Integration der Katholiken in das Deutsche Reich. Teile der Professorenschaft engagierten sich politisch. Die Politikfelder reichten von der Kolonialpolitik des Kaiserreichs bis zur „Nationalitätenpolitik“ der Nationalsozialisten.
Die Wechselverhältnisse von Wissenschaft und Politik in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster sind das Thema dieser Untersuchung. Die Universitätsgründung 1902 sowie die konfessionell ausgewogene Besetzungspolitik waren Mittel zur Integration der Katholiken in das Deutsche Reich. Welche Rolle die katholische Konfession der Dozenten in der Weimarer Republik, im „Dritten Reich“ sowie in der unmittelbaren Nachkriegszeit spielte, wird anhand der Berufungen ebenso analysiert wie die Umstrukturierungen durch die Nationalsozialisten und der personelle Neuanfang 1945. Im Bereich der Kolonialpolitik, der Bodenreform, der Kriminalbiologie oder des Arbeitsrechts sowie des Nationalitätenrechts mischten sich die münsterschen Professoren politisch ein und vertraten ihre rechtspolitischen Reformprogramme zum Beispiel in der „Deutschen Kolonialgesellschaft“, im „Bund deutscher Bodenreformer“, im „Reichsbund der Kinderreichen“ oder im „Westfalen-Treubund“. Gremien und Beiräte der Ministerien konnten die Möglichkeit der Politikberatung eröffnen. Im „Dritten Reich“ engagierten sich Teile der westfälischen Rechtswissenschaftler in der „Akademie für Deutsches Recht“ oder wechselten in die Schaltzentralen der Ministerien oder Institute der NSDAP. Eine politische Abstinenz der Professoren ist zu keiner Zeit zu verzeichnen.
Über den Autor
Dr. Sebastian Felz, M. A., Jahrgang 1979, Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, des Öffentlichen Rechts und der Philosophie sowie der Rechtswissenschaften. Von 2008 bis 2012 war er Mitglied der Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im 20. Jahrhundert. Er absolvierte seinen juristischen Vorbereitungsdienst in Bonn, Köln und New York. Als Verbandsjurist ist er zuständig für das Vorschriften- und Regelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in St. Augustin.