Die Luftschläge von Kundus am 4. September 2009, durch die etwa 100 Menschen ums Leben kamen und etliche weitere schwer verletzt wurden, zeigten einmal mehr das enorme Skandalisierungspotenzial von zivilen Opfern militärischer Gewaltanwendung nicht nur in Deutschland. Verschärfend gilt dieser Befund, wenn es sich nicht um einen Verteidigungskrieg, sondern um eine humanitär motivierte militärische Intervention handelt, sei es, um menschenwürdige Verhältnisse (wieder) herzustel-len, sei es um eine Gesellschaft von ihrem grausamen Despoten zu befreien. Eine hohe Anzahl ziviler Opfer wirkt in den Augen der Öffentlichkeit als Selbstdiskreditierung. Dagegen steht eine hohe Gewalttoleranz, d. h. weit gefasste Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Tötung von unbeteiligten Zivilisten im "Humanitären Völkerrecht" - wie sie zuletzt auch die Einstellung des Verfahrens gegen die beteiligten Soldaten durch den Generalbundesanwaltschaft bestätigt hat.
In dem vorliegenden Band gehen Offiziere, Vertreter von (Nicht-)Regierungsorganisationen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen der Frage nach, ob die indirekte Tötung von Unschuldigen in Ausnahmefällen erlaubt sei. Näherhin werden gewaltbelastete Situationen, in denen Unbeteiligte Opfer soldatischen Handelns wurden, aus verschiedenen Perspektiven untersucht, die völkerrechtlichen Regelungen von Kollateralopfern in Bezug auf international und nicht-international bewaffnete Konflikte analysiert und die moralischen Probleme einer "verhältnismäßigen" Tötung von Zivilpersonen herausgearbeitet. Außerdem wird nach den psychischen Folgen für die Betroffenen - der Soldaten wie der Angehörigen von Opfern - gefragt, werden rechtliche Entschädigungsmöglichkeiten erörtert und wird die ge-genwärtige humanitäre Begleitung der Soldaten in Deutschland auf den Prüfstand gestellt.
Mit Beiträgen von:
Anna Gebhardt, Matthias Gillner, Sebastian Grumer, Gerd Hankel, Michael Haspel, Adrian Klocke, Bernhard Koch, Arjan Kozica, Maria Scharlau, Hartwig von Schubert, Volker Stümke, Jörn Thießen, Björn Werres, Mike Zimmermann und Peter Zimmermann.
Über den Autor
Dr. Matthias Gillner, ist katholischer Theologe und Philosoph und Dozent für Katholische Sozialethik am Fachbereich Human- und Sozialwissenschaften der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
Volker Stümke, ist evangelischer Theologe und Dozent für Evangelische Sozialethik am Fachbereich Human- und Sozialwissenschaften der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg und Professor für Systematische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel.