Vesper und Orthros, Abend- und Morgenlob, bilden den Grundstock des alltäglichen Gottesdienstes in Bischofskirchen und Gemeinden, so auch der Hagia Sophia, bis 1453 Kathedrale der Christengemeinde von Konstantinopel. Das primäre Interesse des vorliegenden Buches richtet sich auf die Struktur und Strukturentwicklung jener beiden Feiern von der Herausbildung des Ritus der Hagia Sophia im beginnenden 6. Jahrhundert bis in die Zeit unmittelbar vor dem Untergang des byzantinischen Reiches, als die Tagzeiten kathedraler und gemeindlicher Form bereits bis auf einige Rudimente durch das monastische Offizium palästinischer Prägung abgelöst waren. Erkenntnisse zu Herkunft und Veränderung einzelner euchologischer Elemente sowie der Psalmodie werden abschließend zum entwicklungsgeschichtlichen Gesamtbild der Tagzeitenstruktur von Orthros und Vesper zusammengefügt.
Diese Monographie macht zugleich mit Arbeitsmethoden und Forschungsergebnissen vertraut, wie sie in jüngerer Zeit am Pontificio Istituto Orientale (PIO), Rom, entwickelt und gewonnen wurden: moderne Euchologienforschung, systematisierte Analyse gottesdienstlicher Strukturen, Verständnis von Liturgiegeschichte als Entwicklungsgeschichte, wobei augenfällige Neuerungen in Kontinuität zum überlieferten Ritus stehen und dessen Identität gerade durch Weiterentwicklungen, d. h. durch lebendiges Wachstum, sichern.