Das vorliegende Buch bietet eine wissenschaftlich fundierte Übersetzung der Autobiographie von Mercurino di Gattinara (1465–1530), Großkanzler Kaiser Karls V.
Dieser begabte Jurist aus dem Piemont war vor seiner Kanzlerschaft bereits viele Jahre für Kaiser Maximilian I. und dessen Tochter Margarete von Österreich politisch-diplomatisch tätig gewesen. Ab 1518 fungierte er als Großkanzler. Nach Gattinaras Tod berief der Kaiser niemanden mehr in das Amt, das Gattinara zwölf Jahre innegehabt hatte – ein Zeichen für Gattinaras Unersetzbarkeit, für des Kaisers Selbständigkeitsdrang oder für beides?
Im Jahr 1529, vor der Abreise nach Italien zur Kaiserkrönung Karls V. durch Papst Clemens VII., hat der Großkanzler seine lateinisch verfaßte Autobiographie abgeschlossen. Der Schwerpunkt dieses Ego-Dokumentes liegt auf der Zeit seiner Kanzlerschaft und seiner Beurteilung der damaligen kaiserlichen Politik gegenüber Frankreich und Italien. Die Italienreise seines Herrn empfand er als Triumph seiner jahrelangen politischen Bemühungen.
Seine Bedeutung für die Entwicklung des jungen Karl wie auch für dessen Politik ist nicht unumstritten. Umso wichtiger und interessanter erscheint die Möglichkeit, Gattinaras eigene Darstellung seines nicht immer spannungsfreien Verhältnisses zum Kaiser und seine persönliche Sicht der politischen Ereignisse kennenzulernen. Die Aussagen des Kanzlers auch LeserInnen zugänglich zu machen, denen der lateinische Text sich schwer erschließt, ist eines der Ziele dieser Studie.