Sind Attentäter, die im Namen Gottes töten, Märtyrer? Darf die Bereitschaft, für Gott zu sterben, mit Gewalttätigkeit einhergehen? Wem kommt im strengen Sinne der Ehrentitel „Märtyrer“ zu, wer ist bloß unerleuchteter, fehlgeleiteter Fanatiker? – In der öffentlichen Debatte werden Dschihadisten immer wieder vorschnell als Märtyrer bezeichnet, die durch den ,,Kampf gegen die Ungläubigen“ mit Belohnungen im Paradies rechnen dürfen. Kommt ihnen aber wirklich der Ehrentitel ,,Märtyrer“ zu? Angesichts einer geradezu inflationären Verwendung des Wortes „Märtyrer“ in den Printmedien und dem allgemeinen Sprachgebrauch besonders im Zusammenhang mit Terroranschlägen und Selbstmordattentaten erschien eine historisch-kritische Rückfrage nach den Ursprüngen des Martyriumsbegriffs in den verschiedenen religiösen Kontexten unbedingt vonnöten. Dazu fand vom 20. bis 23. Februar 2019 am Campo Santo Teutonico im Römischen Institut der Görres-Gesellschaft (RIGG) eine internationale und interdisziplinäre Fachtagung statt, welche von der Forschungsstelle Christlicher Orient an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte und Patrologie sowie der Stiftungsprofessur Prinz Max von Sachsen des Bistums Eichstätt für Theologie des Christlichen Ostens und dem RIGG ausgerichtet wurde. Ihr Fokus lag auf der historischen Herausarbeitung eines heuristisch fruchtbaren Märtyrerbegriffs in Spätantike und frühem Mittelalter. Der vorliegende Tagungsband versammelt die vorgelegten Beiträge.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
S. VII–XI
Notker Baumann
„Die durch den siebenfältigen Geist fruchtbare Mutter Kirche“. Christliche Deutungen der „makkabäischen Märtyrer“ im frühen Mittelalter
S. 1–18
Joachim Braun
Vorösterliches Martyrium? Eine florilegische Sammlung zur Verehrung der Unschuldigen Kinder als Märtyrer bei westlichen wie östlichen Vätern
S. 19–60
Peter Bruns
Erlösung im Kampf oder durch Tod? Das syrische Martyrium des Färbersohns Simeon (BHO 1117)
S. 61–92
Peter Bruns
Mar Isais Abhandlung über die Märtyrer
S. 93–116
Winfried Büttner
Die ältere Passio S. Pantaleonis (BHG 1412z). Eine epische Legende, ihr historischer Rahmen und literarischer Kern
S. 117–136
Felix Grollmann
„Duo sunt martyrii genera“. Die Normen der Märtyrer- und Heiligenverehrung um 800
S. 137–176
Roman Hankeln
Aspekte liturgisch-musikalischer Artikulation des Massenmartyriums im Sittener Mauritiusoffizium (9.–13. Jh.)
S. 177–192
Hureyre Kam / Serdar Kurnaz
Märtyrertum und Dschihad im Spannungsverhältnis zwischen Recht und Askese
S. 193–208
Thomas Kremer
Zum Verständnis des Martyriums in mittelbyzantinischer Zeit in der Auseinandersetzung mit dem Islam
S. 209–236
Francesca Paola Massara
“Ego enim iam delibor et tempus resolutionis meae instat” (II Tim 4, 6). Martirio, testimonianza e non-violenza nell’iconografia paleocristiana
S. 237–258
Katharina Reihl-Weigl
Blutig oder unblutig – das ist hier nicht die Frage! Drei Beispiele aus der spätantiken Welt
S. 259–284
Felix Rohr
Frieden als Martyriumsklausel in Prudentius’ psych. 769–787
S. 285–302
Georg Röwekamp
Der christliche Märtyrer als Kämpfer. Einige Beobachtungen aus der Kirchengeschichte des Heiligen Landes
S. 303–320
Ingo Schaaf
Opfertod und Todessuche als Exempel in Antike und Christentum
S. 321–338
Hans Reinhard Seeliger
„Ad illam vitam non ducit tortura sed causa“ (Acta Sebastiani 28). Das Bild des Märtyrers in den spätantiken römischen Märtyrerlegenden
S. 339–350
Mira Sievers
„Sie sind lebendig bei ihrem Herrn“ (Q 3:169). Koranische Grundlagen und islamisch-theologische Deutungen des Märtyrertums
S. 351–358
Andreas Weckwerth
Grundlinien einer Theologie des Martyriums im Sacramentarium Veronense
S. 359–376
Wenzel Widenka
„Seinen Namen heiligen, um das Volk zu retten“
S. 377–391