Als die Schriften des Magisters David von Dinant 1210 und 1215 in Paris für häretisch erklärt, deren Lektüre und Besitz unter Strafe gestellt und sie zur Vernichtung verurteilt wurden, war dieser offenbar nicht mehr am Leben. Wie wirksam diese Verurteilung war, belegt die Tatsache, dass kein Schriftstück dieses Autors für die Nachwelt erhalten blieb. Seine Lehren und die ihm attestierten Irrtümer lägen im Dunkeln, hätte nicht Albertus Magnus längere Passagen aus seinem Liber Tomi zitiert. Alberts Zeugnis diente als die Grundlage für den Versuch einer Rekonstruktion der Doktrin des David und als Ausgangspunkt für die Spurensuche nach dessen Schrifttum. A. Birkenmajer gelang es in den Handschriften von Gent, Oxford, Paris und Wien anonyme Texte zu entdecken und sie als Fragmente der Werke Davids zu identifizieren. M. Kurdzialek erschloss sie kodikologisch, philologisch und inhaltlich und wies nach, dass David von Dinant seinen Paraphrasen der naturphilosophischen Werke des Aristoteles deren griechische Überlieferung zu Grunde legte. Seine bahnbrechenden Untersuchungen stellte Kurdzialek der kritischen Edition der Quaternulorum fragmenta als deren Prolegomena voran. Sie erschienen 1963 im polnischen Wissenschaftsverlag in Warschau. Aufgrund politisch motivierter Auflagen im einstigen Ostblockstaat durften die Prolegomena nur in polnischer Sprache publiziert werden. Die neuerliche Wiederbelebung der Forschung zu David von Dinant und die Kontroverse um die historische Stimmigkeit der von Kurdzialek erzielten Ergebnisse, die zu dessen Gunsten entschieden wurde, ist der Anlass, seine Prolegomena erstmalig in deutscher Übersetzung einem breiteren Fachpublikum zugänglich zu machen.
Über den Autor
Der Herausgeber: Henryk Anzulewicz, Dr. theol., Editor und Forscher am Albertus-Magnus-Institut in Bonn (seit 1983). Arbeitsschwerpunkte: Edition und Erforschung der Werke des Albertus Magnus.