Der Begriff des Geistes ist ein ambiger Begriff. Von seinen Anfängen in der griechischen Philosophie und dem hebräischen Denken über die christliche Philosophie des Mittelalters bis in den deutschen Idealismus hinein wird unter der Bezeichnung ‚Geist‘ sowohl Menschliches als auch Göttliches verhandelt. Ungeachtet dessen herrscht in der Frage nach dem Geist zwischen Theologie und Philosophie derzeit weitgehende Sprachlosigkeit. Ziel des Sammelbandes ist es, diese zu überwinden. Denn theologischer und philosophischer Geistdiskurs scheinen nicht nur historisch, sondern auch systematisch aufeinander verwiesen zu sein: Der Geist weist eine innere Überschreitungsdynamik auf, die als immanente Transzendierung ebenso beschrieben werden kann wie als Transzendenzoffenheit. In Ereignissen realer Selbstüberschreitung, in normativen Antizipationen eines Gelingens, das er selbst aus sich heraus nicht herstellen kann und im Versuch sich selbst zu begreifen weist der menschliche Geist über sich selbst und seine rein immanente Gestalt hinaus. Diese Dynamik versprachlicht die Theologie im Gedanken Gottes, in dem die wirkliche Möglichkeit einer in ihrem Unendlichkeitsdrang, in ihrem Ausgreifen über alles Vorfindliche und Bedingte, in ihrer Sehnsucht nach Gerechtigkeit und unbedingter Anerkennung erfüllten menschlichen Geistigkeit ausgesagt wird. Die theologische Reflexion des Geistbegriffs zielt damit nicht auf eine dualistische Ontologie, sondern auf ein Reflexionsmoment des menschlichen Geistes und die Möglichkeit seiner realen Entsprechung, das um willen eines unverkürzten Verständnisses des Geistbegriffs nicht unterschlagen werden darf.
Über den Autor
Aaron Langenfeld, Dr. theol., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Systematische Theologie und ihre Didaktik am Institut für Katholische Theologie der Universität Paderborn sowie am Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften und vertritt derzeit die Professur für Systematische Theologie an der Universität Vechta.
Sarah Rosenhauer, Dr. theol., ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Fundamentaltheologie und Dogmatik der Goethe-Universität Frankfurt.
Stephan Steiner, Dr. phil., ist Referent für Philosophie an der Katholischen Akademie in Berlin.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
S. 7–18
Antireduktionismen
Matthias Petzoldt
‚Neuronale Funktionen im Gehirn’, ‚Wirklichkeit des Geistes’, ‚Wirksamkeit des Heiligen Geistes’
S. 21–64
Olaf Müller
Die immaterielle Seele
S. 65–112
Thomas Hanke
Brandoms Geist-Metaphysik
S. 113–142
Relationierungen
Johannes Brachtendorf
Das Verhältnis von menschlichem Geist und göttlichem Geist bei Augustinus
S. 143–162
Thomas Marschler
Das Ich in der Trinität
S. 163–200
Thomas Schärtl
Menschliches Bewusstsein und göttliches Bewusstsein
S. 201–228
Kurt Appel
Hegel und das Offene der Gottesfrage
S. 229–248
Holm Tetens
Menschlicher Geist – göttlicher Geist: Eine Analogie?
S. 249–266
Figuren der Überschreitung
Annette Langner-Pitschmann
„Es gibt kein Denken ohne das Imaginäre”
S. 267–290
Dominik Finkelde SJ
Mangel und Exzess
S. 291–310
Antizipationen und Gegenwarten
Eckart Reinmuth
Gegenwarten
S. 311–330
Aaron Langenfeld
Möglichkeit der Freiheit
S. 331–374
Sarah Rosenhauer
Negativität und Fülle
S. 375–426
Personenregister
S. 427–433