Der abtrünnige Dominikanermönch, Philosoph und Schriftsteller Giordano Bruno gilt als eines der prominentesten Opfer der Römischen Inquisition. Er ist am 17. Februar 1600 auf dem Scheiterhaufen auf dem Campo di Fiori in Rom gestorben. Im Rückgriff auf das vorsokratische Gedankengut hatte er versuchte, die bis dahin als unstrittige Grundlage des scholastischen Weltbilds akzeptierte aristotelische Naturphilosophie zu widerlegen, was einem Bruch mit der Tradition gleichkam. Im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Ideologie des Risorgimento und den virulenten Bestrebungen um Italiens nationale Einheit im 19. Jahrhundert erinnerte man sich an den berühmten Sohn des Landes, der ein Opfer brutaler päpstlicher Justiz geworden war. Nach der Beseitigung des Kirchenstaats, der Ausrufung des Königreichs Italien 1861, der Eroberung Roms durch italienisches Militär am 20. September 1870 und der Proklamation der Stadt als neuer Hauptstadt des national geeinten Italien kam es wegen der anhaltenden Forderung der Päpste seit Pius IX. nach Wiederherstellung des Dominium temporale und der so genannten Römischen Frage zu massiven Konflikten zwischen Quirinal und Vatikan. Für liberale, atheistische und kirchenfeindliche Kreise und Bewegungen avancierte Giordano Bruno im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zum Schibboleth gegen die verhasste „Klerikerherrschaft“ sowie zu einem Märtyrer der Gedankenfreiheit und zu einem Vorkämpfer gegen jegliche Form despotischer Unterdrückung. Durch die Instrumentalisierung seiner Person wurden die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen erheblich und nachhaltig verschärft.
Über den Autor
Prof. em. Dr. Karl Josef Rivinius; Studium der Theologie, Geschichte und Erziehungswissenschaft; Promotion in Münster; Habilitation in Bonn. Schwerpunkte der Veröffentlichungen: kirchen-, missions- und sozialgeschichtliche Studien.