Der inhaltliche Einfluss des biblischen Glaubens auf die abendländische Philosophie ist ein unleugbares und allgemein bekanntes Faktum. Weniger bekannt ist jedoch der Umstand, dass sich die Philosophie ihrerseits von der Spätantike bis in unsere Zeit mit dem Text der Heiligen Schrift auseinandergesetzt hat, um die darin enthaltenen Einsichten über Gott, Welt und Mensch auf ihren Wahrheitsanspruch hin zu prüfen und mit dem natürlichen Vernunftdenken in Einklang zu bringen. Der vorliegende Band zeichnet die vielstimmige und komplexe Geschichte dieses Modells einer philosophischen Schriftauslegung anhand von zehn Autoren aus dem 3.–20. Jahrhundert nach, die sich gegenüber der These einer grundsätzlichen Harmonie von biblischer Offenbarung und philosophischer Vernunft teils positiv, teils kritisch positioniert haben. Daran wird erkennbar, dass ein inhaltlicher, an der Wahrheitsfrage orientierter Dialog zwischen diesen beiden Formen der Wirklichkeitsdeutung nach wie vor unverzichtbar ist und nicht vorschnell einer Re-Mythisierung der Welt und des Göttlichen unter „nachmetaphysischen“ Vorzeichen geopfert werden sollte.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
S. 5–8
Martina Roesner
Einführung
S. 9–14
Alfons Fürst
Origenes und der Ursprung der philosophischen Bibelauslegung
S. 15–36
Augustinus Friedbert Weber OSB
„Die Philosophie in den Psalmen”. Zur kritischen Synthese von biblischem und antikem Denken bei Gregor von Nyssa
S. 37–52
Ludger Schwienhorst-Schönberger
Philosophische Schriftauslegung in Meister Eckharts Sapientia-Kommentar
S. 53–70
Christian Ströbele
Gottes Wort und göttliche Weisheit. Philosophische Schriftauslegung bei Cusanus
S. 71–92
Peter Walter (✝)
Philosophia Christi. Voraussetzungen und Aufgaben der Schriftauslegung nach Erasmus von Rotterdam
S. 93–108
Karl Erich Grözinger
Baruch Spinoza im Rahmen der jüdischen Schriftauslegung
S. 109–124
Christopher Arnold
„Vorstellungsarten der alten Welt” und Erzählungen der Geschichte Jesu. Schellings Traditionskritik der Evangelien als früher Beitrag zur Leben-Jesu-Forschung
S. 125–144
Martina Roesner
Von den Paulinischen Briefen zum seinsgeschichtlichen Nihilismus. Die Heilige Schrift als Katalysator in Heideggers Destruktion der Metaphysik
S. 145–162
Ulrich H. J. Körtner
Existentiale Interpretation. Rudolf Bultmanns Bibelhermeneutik
S. 163–184
Tobias Mayer
„Die Sprache der Geschichte deuten”. Chancen und Grenzen der typologischen Schriftauslegung bei Jean Daniélou
S. 185–206
Bibel
S. 207–208
Autoren
S. 209–214
Namen und Sachen
S. 215–226