Es ist nicht jedem bekannt, dass Johann Caspar Goethe – Johann Wolfgangs Vater – Mitte des 18. Jahrhunderts eine Reise durch Italien unternahm, Eindrücke und Erfahrungen seiner Grand Tour schriftlich festhielt und daraus ein Buch mit dem Titel »Reise durch Italien im Jahre 1740« machte. Vor allem würde niemand erwarten, dass dieses Buch von ihm auf Italienisch verfasst wurde: »Viaggio per l’Italia«. Somit handelt es sich um ein Unikum im Bereich der deutschen Reiseliteratur, das es unbedingt zu entdecken gilt, zumal es eine ganz neue Perspektive sowohl auf die Grand Tour, als auch auf Italien eröffnet. Obwohl Johann Caspar seine scharfen und sehr wirklichkeitsnahen Beobachtungen sachlich-nüchtern schildert und ihm, im Gegensatz zu vielen Italienreisenden, Schwärmereien fremd waren, findet man jedoch humorige Bemerkungen und augenzwinkernde Kommentare am laufend Band. Breiten Raum in den ›Feldstudien‹ des strengen Lutheraners nehmen nicht nur seine Auseinandersetzungen mit dem katholischen Italien und dessen abergläubische Praktiken ein, sondern auch herrschende Sitten, Traditionen und Feierlichkeiten. Jenseits romantischer ›Vor-Urteile‹, wie z.B. die Zeilen vom Land, wo die Zitronen blühen, die Goethe Filius schon vor Antritt seiner Italienreise komponiert hatte, zeichnet Johann Caspar auf seiner Grand Tour à la lutherana ein realistisches Bild Italiens, das nichts an Aktualität eingebüßt hat – zumal in einem Europa der kulturellen Vielfalt.