"Aus christlicher Sicht hat sich die Bedeutung der vorabrahamitischen Rituale und der kultischen Gesetze des Alten Testamentes grundlegend geändert. Die Gebote des Neuen Testamentes und die christlichen Sakramente beanspruchen eine neue Qualität der unmittelbaren Heilsvermittlung. Bereits frühchristliche und mittelalterliche Autoren standen deshalb vor der Aufgabe, das Verhältnis der aus christlicher Sicht nicht mehr verbindlichen Gesetzesvorschriften und Riten zu den Sakramenten des Christentums neu zu bestimmen. Handelt es sich um sich ausschließende Gebote und Riten, kann man hingegen von einem pluralistischen Nebeneinander oder einer Gleichwertigkeit sprechen, oder muss man schließlich ein integratives Modell der christlichen Sakramentenlehre annehmen, das die älteren Vorschriften in sich aufnimmt und sich einverleibt?
Albertus Magnus widmet sich diesen Fragen an verschiedenen Stellen seines Werkes. Richard Schenk zeichnet in seiner Untersuchung vor allem die Deutungsversuche nach, die Albert in seinen frühen Schriften entwirft. Alberts differenzierte Interpretation vorchristlicher Riten zeigt ein Ringen mit der als ambivalent empfundenen Erinnerung an die vorchristlichen Riten, welche der ausschließlichen Zuordnung zu exklusivistischen, pluralistischen oder auch inklusivistischen Deutungsmustern widersteht."
Über den Autor
Richard Schenk OP, Dr. theol., ist Professor für Philosophie- und Theologiegeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Eichstätt-Ingolstadt.