In den letzten Jahrzehnten haben sich Emotionen als Gegenstand des Forschungsinteresses über die traditionell hiermit befassten Disziplinen hinaus immer mehr in den Fokus der Altertumswissenschaften bewegt. In diesen Forschungsdiskurs ordnet sich auch die Studie von Rebekka Schirner zu den Argonautica des römischen Epikers Valerius Flaccus (1. Jhd. n.Chr.) ein. Denn bei einer Lektüre dieses Epos, in dem die erste große Überseefahrt in mythischer Zeit (von Iolcos in Griechenland nach Colchis am Schwarzen Meer), aber auch die Ereignisse in Colchis um die Königstochter Medea geschildert werden, fällt auf, dass Emotionen und Affekte, insbesondere die Angst, auf verschiedenen Ebenen der Darstellung von zentraler Bedeutung sind. Ziel der Untersuchung ist es daher, die Rolle insbesondere der Angst u.a. für Figurenzeichnung, Handlungsfortgang und -motivation sowie für die poetische Technik des Valerius Flaccus insgesamt herauszuarbeiten, wobei auch die konkreten sprachlichen Mittel zur Literarisierung von Emotionen in den Blick genommen werden. Ferner soll der Vergleich mit unterschiedlichen Praetexten die Besonderheiten der valerianischen Gestaltungsentscheidungen deutlicher aufzeigen. Damit kann diese Untersuchung einen neuen Zugang zum Verständnis der Argonautica eröffnen und auch einen Beitrag zu einer Kulturgeschichte der Angst leisten. Ansätze aus anderen mit Emotionen befassten Wissenschaften werden dabei, soweit sinnvoll und möglich, ebenfalls berücksichtigt.
Über den Autor
Rebekka Schirner lehrt als Privatdozentin Klassische Philologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: lateinische Patristik, Literatur der Spätantike und des Frühmittelalters, Editionsphilologie, griechische und römische Epik, Emotionen in der Literatur.