Wenn eine Frau oder ein Mann in einem weißen Laken und mit einer brennenden Kerze in der Hand vor einer geschlossenen Kirchentür stand, während der Rest der Gemeinde im Gebäude einen Gottesdienst feierte, so wurde signalisiert: Dieser Mensch gehört nicht dazu, er steht außerhalb der Gemeinschaft. Diese Form öffentlicher Zurschaustellung glich einer Prangerstrafe, sie beschämte und grenzte aus. Da es sich jedoch um eine „Poenitentia publica ecclesiastica“, eine öffentliche Kirchenbuße handelte, die noch bis weit ins 18. Jahrhundert vor allem für Sexualdelikte von geistlichen Gerichten verhängt worden ist, stellt sich die Frage, ob sie als Sühne oder Strafe einzuordnen ist.Ging es um die Wiedereingliederung oder um die Ausgrenzung, um Büßen oder Strafen? Welche Ziele sollten mit einer solchen, publikumswirksamen Sanktion erreicht werden? Sollte der Sünder wieder ins Reine mit Gott und der Gemeinschaft kommen, ging um die Abschreckung der Bevölkerung oder wollte sich das Gericht als unnachgiebig und hart durchgreifend inszenieren?Die zahlreichen Facetten dieser geistlichen Sanktion nimmt die Studie von Christine D. Schmidt in den Blick, indem sie exemplarisch die öffentliche Kirchenbuße in den Fürstbistümern Münster und Osnabrück untersucht. Dabei werden die gerichtlichen Institutionen und die Träger der Gerichtsgewalt vor dem Hintergrund der teilweise komplizierten Herrschaftsverhältnisse in geistlichen Territorien betrachtet. Neben der institutionellen Ebene berücksichtigt die Untersuchung auch das gerichtliche Handeln vor Ort und dessen Einbettung in das ländliche Alltagsleben. So entsteht ein umfassender Einblick in die Formen und Funktionen geistlicher Niedergerichtsbarkeit während der Frühen Neuzeit.