Leichenpredigten waren in der Frühen Neuzeit zentrale Medien der Repräsentation und der Memoria. Insbesondere katholische Trauerreden zeichneten sich meist durch eine glorifizierende Darstellung des Verstorbenen aus und wurden aufgrund dessen bereits von Zeitgenossen als Lügenpredigten charakterisiert. Vor allem wegen ihres panegyrischen Charakters blieben diese Quellen lange Zeit von der Forschung unberücksichtigt. Die vorliegende Studie vollzieht einen radikalen Perspektivenwechsel: Sie begreift die auf die geistlichen Kurfürsten des 17. und 18. Jahrhunderts gehaltenen katholischen Leichenpredigten gerade aufgrund ihrer verklärenden Darstellung des Verstorbenen als normvermittelnde Quellen und spricht ihnen Fürstenspiegelcharakter zu.
Ausgehend von dem komplexen Bedingungs und Beziehungsgefüge, in dem die KurfürstErzbischöfe von Mainz, Köln und Trier als Reichsstände, Landesherren, Bischöfe und Repräsentanten ihrer Dynastien agierten, eröffnet die vorliegende Analyse einen Blick auf zeitgenössische Idealvorstellungen kurerzbischöflicher Herrschaft in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden. Das in den Funeralsermonen gezeichnete Bild kurerzbischöflichen Wirkens griff zwar durchaus Elemente des tridentinischen Bischofsideals sowie zeitgenössischer Idealvorstellungen weltlicher Herrschaft auf, war jedoch deutlich facettenreicher als deren reine Addition. Indem die Studie zudem die Leichenpredigten im jeweiligen Trauerzeremoniell verortet und Produktions, Distributions und Rezeptionsmechanismen der gedruckten Sermone offenlegt, leistet sie einen Forschungsbeitrag zur Sepulkralkultur der geistlichen Kurstaaten im 17. und 18. Jahrhundert.
Über den Autor
Jan Turinski studierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politikwissenschaften. Nach dem Magisterabschluss war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität Mainz, wo er 2018 promoviert wurde.