Die Begriffe von complicatio und explicatio, meist als Einfaltung und Ausfaltung übersetzt, sind zentral für das Denken des Nikolaus von Kues (1401–1464). Sie werden in dieser Studie erstmals umfassend in ihrer philosophischen Bedeutung untersucht. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit cusanischen Schriften zu Metaphysik, Ekklesiologie und Erkenntnistheorie zeigt, dass Komplikation und Explikation begrifflich das Verhältnis von Teilen zu einem Ganzen auf jene Art und Weise bestimmen, für die in der zeitgenössischen Philosophie die Bezeichnung des radikalen Holismus eingeführt wurde. Eine solche holistische Deutung ist nicht nur für das systematische Verständnis der Verhältnisse von Gott und Welt sowie Geist und Erkennen innerhalb des cusanischen Denkens höchst folgenreich. Auch für die historische Einordnung ermöglicht sie neue Ansätze. Mittelalterliche Diskussionen über das Problem göttlicher Unendlichkeit und über den Status des transzendentalen Begriffs des Seins gewinnen gegenüber gängigen Annahmen über historische Quellen des Nikolaus von Kues neue Bedeutung. Auch der Begriffsdualismus von complicatio und explicatio selbst kann in seiner holistischen Deutung über bekannte begriffsgeschichtliche Vorbilder hinaus in neue Bezüge eingeordnet werden, indem seine Abhängigkeit von bestimmten Konzeptionen sprachlichen Ausdrucks bzw. des Phänomens der Falte deutlich wird.