Die Heilsbedeutung des Lebens und Sterbens Jesu ist heutzutage mehr als umstritten, sowohl auf der Ebene der Kirchengemeinden wie auch auf der Ebene der theologischen Reflexion. Das Schreiben der Glaubenskongregation Placuit deo (2018) greift dieses Problem auf. Doch wenige Theologen wagen sich an die gerade heute so zentrale Frage heran, was und wie für den Menschen von heute in all seiner Bedrängt- und Zerrissenheit Erlösung geschehen kann. Während die neutestamentliche Exegese das Thema immer wieder bearbeitet und wachhält, ist es in der katholischen systematischen Theologie bis auf wenige Ausnahmen sehr still um die Soteriologie geworden. Geradezu vergessen scheint dessen theologiegeschichtliche Dimension und hier besonders die des Mittelalters. Außer Anselm von Canterbury (gest. 1109) kommt kaum noch eine Stimme aus einer doch fast 1000-jährigen Tradition zu Wort.
Am deutlichsten betroffen sind die Reflexionen der frühmittelalterlichen Theologie (8.–12. Jh.). Es entsteht der Eindruck , als hätte diese Zeit nie etwas Relevantes zum Erlösungswerk Christi und der Heilung des Menschen zu sagen gehabt. Ausführlichere Untersuchungen zu Texten aus dieser Zeit sind zumeist über 60 Jahre alt. Die hier versammelten Beiträge gehen auf das Symposion „Soteriologie in der frühmittelalterlichen Theologie“ an der Universität Koblenz-Landau vom 21.3.–23.3.2019 zurück. Sie zeigen, wie spannend und anregend die soteriologischen Reflexionen der frühmittelalterlichen Autoren bei aller Zeitbedingtheit auch für heute noch sein können, sowohl im Blick auf die Auslegung der Heiligen Schrift und die systematische Reflexion als auch im Blick auf die Auseinandersetzung mit anderen Religionen und der Spiritualität und Lebenspraxis.
Über den Autor
Ulli Roth, Prof. Dr. theol., geb. 1966 in Oberndorf a. N., Studium der Katholischen Theologie, Mathematik und Philosophie in Freiburg i. Br. und Kopenhagen, 2001–2016 Gymnasiallehrer, seit 2016 Professor für Systematische Theologie an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
David Johannes Olszynski, Dipl.-Theol., geb. 1984 in Franken, Studium der Katholischen Theologie, Germanistik und Geschichtswissenschaft in Bamberg und Tübingen, seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Systematische Theologie an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
Inhaltsverzeichnis
David Johannes Olszynski / Ulli Roth
Einleitung
S. 1–6
Ulli Roth
Die Bedeutung der frühmittelalterlichen Soteriologie in der theologischen Forschung der letzten 200 Jahre
S. 7–22
Soteriologische Konzepte aus der Kommentierung der Heiligen Schrift
Jonas Frank
Der Beitrag Gottes und des Menschen zum Heil in der Römerbriefauslegung des Haimo von Auxerre
S. 23–50
Ulli Roth
Frühmittelalterliche Soteriologie oder Soteriologien? Überlegungen zum Panorama in der Glossa ordinaria
S. 51–78
Regina Meyer
Die Heilsbedeutung von Inkarnation, Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi bei Rupert von Deutz
S. 79–110
Soteriologische Konzepte im Ausgang von einem Grundgedanken
Viki Ranff
Ein „großer Ratschluß zur Beschämung des Teufels“ (Epistola 77R). Consilium Dei, consilium serpentis, consilium diaboli bei Hildegard von Bingen
S. 111–144
Gunther Wenz
Was kann uns Anselm heute noch sagen? Zur Aktualität eines epochalen Denkers
S. 145–160
David Johannes Olszynski
„Maxima hoc loco quaestio se ingerit: quae sit videlicet ista nostra redemptio per mortem Christi?“ – Abaelards Beitrag zur Soteriologie
S. 161–184
Soteriologische Konzepte in apologetischem Kontext
Peter Bruns
Die Traktate des arabischen Bischofs Theodor Abû Qurra (gest. nach 830) über die Menschwerdung, das Leiden und den Tod des Gottessohnes
S. 185–214
Jakob Georg Heller
Erlösung im Disput. Soteriologische Argumente in den jüdisch-christlichen Religionsdialogen des Gilbert Crispin, Petrus Alfonsi und Odo von Tournai
S. 215–238
Davide Scotto
”I Invite You to Salvation.“ Judaism and Islam in Peter the Venerable's Soteriological Thinking
S. 239–264
Soteriologische Konzepte in ihrer Auswirkung auf Spiritualität und Lebenspraxis
Rebecca Milena Fuchs
„Ich will, dass du das Fischernetz so anpackst, dass es nicht kaputtgeht!“ Beobachtungen zur ebenso lebensdienlichen wie spekulativ eigenständigen Soteriologie in den Epistolarien der Hildegard von Bingen
S. 265–278
Tobias Janotta
Die Soteriologie im Speculum uniuersale des Radulfus Ardens. Eine systematische Betrachtung des Heilshandelns Christi unter der Perspektive der Tugendethik
S. 279–314
Michaela Bill-Mrziglod
Die mortificatio carnis als Bestandteil einer asketisch-mystischen Soteriologie bei Bernhard von Clairvaux – eine historisch-theologische Annäherung
S. 315–334
Indices
Index biblicus
S. 335–336
Index personarum et operum
S. 337–340