Christlicher Norden – Muslimischer Süden: Dieses geographische wie religiöse Gegensatzpaar umschreibt eine gerade in jüngster Zeit spannungsreiche Nord-Süd-Konstellation zwischen Europa und Afrika/Asien. Zugleich verbalisiert es eine religiöse Raumordnung, die als eine Geschichte konkurrierender Führungsansprüche aufgedeckt wird, die Christen und Muslime diesseits und jenseits der Iberischen Halbinsel im späteren Mittelalter wechselweise erhoben haben. Eine Gemengelage keineswegs scharf gegeneinander abgrenzbarer Kulturen und Religionen, zu der auch die Juden gehören, liegt den spezifischen Transfer- und Transformationsprozessen zugrunde, die maßgeblich zur Ausbildung der religiösen, kulturellen und intellektuellen Topographie der Iberischen Halbinsel beigetragen haben.
Ausgewiesene Kenner der mittelalterlichen Iberischen Halbinsel, die mehreren Wissenschaftlergenerationen und verschiedenen Forschungsnationen angehören, haben substantielle neue Beiträge zu den wichtigsten hispanistischen Themenfeldern geliefert und somit erstmals einen fruchtbaren transdisziplinären Dialog zur kulturräumlichen Erschließung der Iberischen Halbinsel im Mittelalter angestoßen. Neueste Fragestellungen zur Mobilität von Texten und künstlerischen Ausdrucksformen, zu Techniken der Kommentierung von Texten als Wege der Annäherung an das religiös Fremde bzw. Andere, zu Formen der reflexiven Lektüre und Widerlegung des religiös Anderen sowie zur Begrenztheit und Zerbrechlichkeit der Akteure und nicht zuletzt zur Wahrung und Durchsetzung eigener Positionen bzw. zur Infragestellung anderer Haltungen mittels Schriftlichkeit und Institutionalisierung bzw. Mission und Dialog gliedern und charakterisieren die Darstellung.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
S. 5–6
Annäherung
Matthias M. Tischler / Alexander Fidora
Die Iberische Halbinsel im geographischen und religiösen Weltbild des Mittelalters
S. 13–36
Einblick
Klaus Herbers
Christen, Juden und Muslime. Kontakte und Abgrenzungen während des hohen Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel
S. 37–58
Mobilität von Texten und künstlerischen Ausdrucksformen
Rafael Ramón Guerrero
Conocimiento de la filosofía árabe y musulmana por parte de algunos judíos hispanos del siglo XI y comienzo del XII
S. 59–68
Charles Burnett
Two approaches to natural science in Toledo of the twelfth century
S. 69–80
Alexander Fidora
Die Wahrnehmung des Anderen im Spiegel von mittelalterlichen Übersetzungstheorien
S. 81–92
Christiane Kothe
Transformation processes relying on substrate from late antiquity. Ibero-Occitan vegetal capitals in the eleventh and twelfth centuries
S. 93–128
Almudena Blasco Vallés
Astudillo, ejemplo de las transferencias del arte árabe en el reino de Castilla
S. 129–140
Techniken der Kommentierung als Wege der Annäherung
José Martínez Gázquez
Las glosas en la primera traducción del Alcoran latinus
S. 141–152
Óscar de la Cruz Palma
Notas de lectura a la Chronica mendosa et ridicula Sarracenorum, siglo XII
S. 153–166
Matthias M. Tischler
Übersetzen als des/integrativer Akt. Die lateinischen Übertragungen arabischer muslimischer Literatur auf der Iberischen Halbinsel im 12. und 13. Jahrhundert
S. 167–190
Formen der reflexiven Lektüre und Widerlegung
Hans Daiber
Weltgeschichte als Unheilsgeschichte. Die arabische Übersetzung von Orosius' Historiae adversus paganos als Warnung an die Muslime Spaniens
S. 191–200
John V. Tolan
”Ipsius gladio occidere“. The use and abuse of Scripture in Iberian religious polemics
S. 201–214
Harvey J. Hames
’And on this rock I will build my community‘. Jewish use of the Gospel in fifteenth-century Spain
S. 215–230
Liminalität und Fragilität der Akteure
Maribel Fierro Bello
A Muslim land without Jews or Christians. Almohad policies regarding the ’protected people‘
S. 231–248
Wolfram Drews
Potentiale des Dialogs. Chancen und Risiken der Grenzüberschreitung
S. 249–266
Yossef Schwartz
Images of revelation and spaces of discourse. The cross-cultural journeys of Iberian Jewry
S. 267–288
Ángel Sáenz-Badillos
La imagen del «cristiano» y del ‹moro› en la literatura hebraica de la Península Ibérica medieval
S. 289–314
Frederek Musall
Tradition and controversy. Meir Abulafia (1165/1170–1244), Yehuda al-Ḥarīzī (1160/1165–1230) and the cultural heritage of al-Andalus
S. 315–328
Anna Akasoy
Al-Andalus in exile. Identity and diversity in Islamic intellectual history
S. 329–346
Stabilisierung durch Schriftlichkeit und Institutionalität
Patrick Henriet
Propagande hagiographique et Reconquête
S. 347–362
Matthias Maser
»Hispania« und al-Andalus. Historiographische Selbstpositionierungen im Spannungsfeld von Identität und Alterität
S. 363–388
Ludwig Vones
Die päpstliche Einflußnahme im iberischen Raum zur Förderung von Integrations- und Desintegrationsprozessen
S. 389–402
Carlos Manuel Reglero de la Fuente
Cluny en el contexto político y cultural de la Península Ibérica, siglos XII–XIII
S. 403–432
Philippe Josserand
Les croisades de Terre sainte et les ordres militaires dans les chroniques royales castillano-léonaises, milieu XIIᵉ – milieu XIIIᵉ siècle
S. 433–444
Nikolas Jaspert
›Reconquista‹. Interdependenzen und Tragfähigkeit eines wertekategorialen Deutungsmusters
S. 445–468
Konzepte der Mission und des Dialogs
Robin J. E. Vose
The limits of Dominican mission in the Western Mediterranean
S. 469–488
Jesús Santiago Madrigal Terrazas
Judíos, moros y cristianos. La visión teológica de Juan de Segovia (1393–1458) acerca de las tres culturas ibéricas
S. 489–504
Henrik Wels
Zum anthropologischen Diskurs des Spätmittelalters auf der Iberischen Halbinsel und seiner Bedeutung für die hispanische Expansionspolitik
S. 505–524
Ausblick
Mariano Delgado
Zur Führung bereit oder Eine Nation findet ihre historische Bestimmung. Spanien um 1500
S. 525–554
Bibliographie
S. 555–730
Register
S. 731–789