Erscheint im Dezember 2024
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Das kirchliche Straf- und Sanktionsrecht sowie dessen Verhältnis zum staatlichen Strafrecht haben in der öffentlichen Wahrnehmung über einen langen Zeitraum hinweg ein Schattendasein geführt. Vor allem die Fälle sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen und in der evangelischen Kirche haben dies in jüngerer Zeit fundamental geändert. Sie haben nicht nur die Bedeutung des kirchlichen Strafrechts verdeutlicht, sondern auch die kirchlichen Gesetzgeber aktiv werden lassen.
Herausforderungen, die das Verhältnis von Staat und Kirche berühren, stellen sich indes nicht nur mit Blick auf das kirchliche, sondern auch auf das staatliche Strafrecht. Das belegen etwa Fälle religiös motivierten zivilen Ungehorsams. Daneben steht das staatliche Strafrecht auch dort vor einer Bewährungsprobe, wo es dem Schutz von Religion und Religionsgemeinschaften dient. Hier stellt sich die Frage, in welchem Bereich religiös konnotierter gesellschaftlicher Konflikte der Einsatz des Strafrechts verfassungsrechtlich zu rechtfertigen und verfassungspolitisch zu empfehlen ist.
Die neue Aktualität der Materie war Grund dafür, das kirchliche und staatliche Strafrecht zum Gegenstand der 59. „Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche“ zu machen und damit dem Strafrecht – seinen historischen Bezügen, seinen Anwendungsfeldern im kirchlichen und staatlichen Bereich, seinen Möglichkeiten und Grenzen, dem hier vorzufindenden Verhältnis von kirchlichem und staatlichem Recht – erstmals in der nahezu sechzigjährigen Geschichte der Veranstaltungsreihe eine eigene Tagung zu widmen. Diese suchte in ihrem ersten Teil eine Annäherung an das kirchliche und staatliche Strafrecht aus historischer Sicht. In ihrem zweiten Teil behandelte sie aus der Perspektive sowohl des kanonischen Rechts als auch des evangelischen Kirchenrechts zunächst die Möglichkeiten und Grenzen des geltenden kirchlichen Strafrechts. Auf der Basis dieser kirchenrechtlichen Grundlegung wandte sie ihr Augenmerk hernach speziell dem sexuellen Missbrauch zu. Hiervon ausgehend erörterte sie in ihrem dritten Teil das Verhältnis von kirchlichem und staatlichem Strafrecht. Im Anschluss richtete sie den Blick in ihrem vierten und letzten Teil schließlich auf das staatliche Strafrecht.