Die wesentlichen gesellschaftstheoretischen Konzeptionen, unabhängig ob sie auf bürgerlichen, liberalen oder marxistischen Traditionen fußen, berufen sich auf Arbeit als den zentralen gesellschaftlichen Tatbestand. Zurzeit lassen sich gravierende Veränderungen der Arbeitsbedingungen u.a. unter den Stichworten Beschleunigung und Prekarisierung feststellen. Damit wird (Erwerbs-)Arbeit theoretisch wie empirisch zu einem Ausgangspunkt für Fragen der Gerechtigkeit und der entscheidende Schlüssel zu sozialer Gerechtigkeit in einer Arbeitsgesellschaft.
In diesem Band gehen die Autoren und Autorinnen den Fragen nach, wie diese Ausgangslage die sozialethische Reflexion herausfordert: durch das Potenzial sozialphilosophischer Theorien für die sozialethische Rekonstruktion von aktuellen Problemen und für eine Missachtungsphänomenologie angesichts prekärer Beschäftigung, aber auch zur Bewertung der verschiedenen Formen der Beschleunigung durch Arbeitszeitmodelle. Ein praktischer Bezug nimmt Fürsorge- und Familienarbeit insbesondere in kirchlichen Arbeitsverhältnissen in den Blick, untersucht „Werkstätten für Menschen mit geistiger Behinderung“ als Instrument der Ermöglichung von Teilhabe am Arbeitsmarkt sowie den so genannten „Dritten Weg“ der Kirchen. Schon die Engführung auf Erwerbsarbeit kristallisiert sich als ein Grund für Gerechtigkeitsdefizite. Vielleicht ist das Konzept der Arbeitsgesellschaft selbst zu hinterfragen.
Inhaltsverzeichnis
Andreas Fisch / Daniela Kirmse / Stefanie A. Wahl / Sebastian Zink
Zur Einführung – die moderne Arbeitsgesellschaft in der (sozialethischen) Kritik
S. 11–20
Arbeit und ihre Relevanz in gesellschaftstheoretischen Entwürfen
Jochen Ostheimer
Das Potenzial liberaler Theorien für die sozialethische Reflexion aktueller Probleme in der Arbeitswelt. Rekonstruktion und Kritik ausgewählter Ansätze der politischen Philosophie
S. 21–39
Christian Stoll
Unpersönliche Arbeit. Sozialethische Überlegungen im Anschluss an die Kapitalismusanalyse Max Webers
S. 40–58
Arbeit und das kritische Potenzial von Gerechtigkeitsvorstellungen
Stefanie A. Wahl
Prekäre Beschäftigung und Anerkennung – Eine Missachtungsphänomenologie
S. 59–81
Martin Schneider
Ausbeutung und Entfremdung: Zwei Perspektiven einer kritischen Bewertung des Umbruchs in der Arbeitswelt
S. 82–107
Arbeit und Beschleunigung durch neue Arbeitszeitmodelle
Simone Horstmann
Zwischen Rationalisierung und Gamification: Zur Semantik von Arbeitsutopien aus sozialethischer Sicht
S. 108–125
Sonja Sailer-Pfister
Muße – eine vernachlässigte Dimension in der beschleunigten Arbeitsgesellschaft. Anthropologische und theologische Überlegungen zum Verhältnis von Arbeit und Muße
S. 126–144
Arbeit im sozialen Sektor
Christine Globig
Warum Gerechtigkeit in weiter Ferne liegt. Fürsorgearbeit zwischen Familienarbeit und Niedriglohnsektor
S. 145–165
Peter Meiners
„Behinderte Teilhabe“ durch die Werkstatt? Werkstätten für Menschen mit geistiger Behinderung als Weg zur Teilhabe am Arbeitsmarkt – eine kritische Sondierung
S. 166–183
Arbeit und der Dritte Weg der Kirchen im kirchlichen Arbeitsrecht
Hermann Lührs
Ist der „dritte Weg“ der Kirchen gerecht?
S. 184–200
Judith Hahn
Rechtliche Einheit als Gerechtigkeit. Kirchenrechtsethische Annäherung an die Novellierung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes
S. 201–224
Arbeit jenseits von Selbstverwirklichung und Menschenrecht
Stefan Leibold
Arbeitest du noch oder lebst du schon? Warum Arbeit im Kapitalismus nicht glücklich macht und die Katholiken das früher auch wussten
S. 225–243
Eike Bohlken
Gibt es ein Recht auf Arbeit?
S. 244–257
Autoren und Herausgeber
S. 258–260