Ernst Walter Zeeden (1916–2011) als Historiker der Reformation, Konfessionsbildung und "deutschen Kultur"

Gerstmeier/Schindling (Hg.)
Ernst Walter Zeeden (1916–2011) als Historiker der Reformation, Konfessionsbildung und "deutschen Kultur"
Relektüren eines geschichtswissenschaftlichen Vordenkers
 
Bandnummer
76
Auflage
1. Auflage
Umfang
252 Seiten
Einband
kartoniert
Erscheinungstermin
14.12.2016
Bestell-Nr
11095
ISBN
978-3-402-11095-9
Preis
24,80
Ernst Walter Zeeden (1916–2011) gehört in die Reihe der bedeutendsten deutschsprachigen Historiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinem Konzept der „Konfessionsbildung”, das als sein individuelles Forschungsergebnis zunächst ein Außenseiter-Standpunkt blieb, ist Zeeden der eigentliche Autor des wohl prägendsten einzelnen Paradigmas der seit den 1960er-Jahren institutionalisierten „Geschichte der Frühen Neuzeit”. Vor dem Hintergrund seiner kulturellen und intellektuellen Sozialisationen im alteuropäischen Bürgertum und im Zeichen des (Neu-)Humanismus ist Zeedens Denkweg noch ein Zeugnis der „alten” Universität in ihrer spezifisch klassisch-deutschen Ausformung und zugleich ein Exempel tiefgreifender Neuorientierungen in der Geistes-, Wissenschafts- und Wissensgeschichte des Jahrhunderts. Dementsprechend ist Zeedens Werk auch nicht auf Reformations- und Konfessionsgeschichte zu reduzieren, jene nicht auf die „Konfessionsbildung” und geht deren Wirkung über die Frühneuzeit-Teildisziplin weit hinaus – die Zeeden-Rezeption beeinflusste u.a. die Kirchengeschichten beider theologischer Fakultäten, die Landesgeschichten, neuere deutsche Literaturwissenschaft und juristische Rechtsgeschichte. Bereits früh in der unmittelbaren Nachkriegszeit fand sie auch international statt. Als Tübinger Ordinarius der akademische Lehrer vieler dutzender Nachwuchskräfte in Wissenschaft und Unterricht, als Führungspersönlichkeit im ersten ‚geisteswissenschaftlichen’ DFG-Sonderforschungsbereich oder als Verfasser weitverbreiteter Handbücher entfaltete Zeeden auch im weiteren Sinne Einfluss auf wissenschafts- und wissensgeschichtliche Formierungsprozesse seiner Zeit.
Die qualitative und quantitative Bedeutung Zeedens scheint aber weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein, ein Desiderat systematischer Wissenschafts- und Wissensgeschichtsforschung ist sie ohnehin. Allein schon im Vergleich zu Akteuren, mit denen Zeeden Bedeutungsgrad und wissenschaftsprosopographische Verortung und Verflechtungen teilt, besteht hier ein so erhebliches Missverhältnis, dass Zeeden bislang nicht einmal auf funeralliterarischer Ebene eine auch nur annähernd angemessene fachliche Würdigung erfahren hat. Der vorliegende Band bietet erste Ansätze dazu, indem er im Horizont des gegenwärtigen Standes der Frühneuzeitforschung zentrale Teilaspekte von Zeedens Werk und Wirken historiographiegeschichtlichen Relektüren unterzieht und – über das wissenschaftsgeschichtliche Interesse hinaus – fragt, inwieweit Zeeden nicht nur vieles heutige noch Gültige vorwegnahm, sondern auch heute noch von unmittelbarer Relevanz ist.

Pressestimmen

»Der Band ist facettenreich, doch nicht disparat, von vorn bis hinten spannend und lohnt die Lektüre unbedingt!«
Axel Gotthard
in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 2017

»... this fascinating volume ...«
»Anyone interested in the modern German historiography of the Reformation and early modern German religion and culture will find the volume extremely rewarding.«
Joachim Whaley (University of Cambridge),
in: The English Historical Review, Volume 133, Issue 560, February 2018

Inhaltsverzeichnis

Markus Gerstmeier / Anton Schindling
Geschichtswissenschaftliche Relevanz und Aktualität einer Zeeden-Würdigung 2016 – Vorwort
S. 7–30

Markus Gerstmeier / Anton Schindling
„Geistlicher Rauffhandel”, das Heilige Römische Reich als politisch-soziokulturelles System des konfessionellen Ausgleichs und Zeeden – Erläuterungen zum Titelbild, zu den Frontispizbildern und den Abbildungen im Vorwort (Abb. 1–5 und 15)
S. 31–40

Wilhelm Borth
Einführung durch den Vorsitzenden des „Fördervereins Geschichte an der Universität Tübingen e. V.” bei der Vortragsveranstaltung des Fördervereins zum Gedenken an Professor Ernst Walter Zeeden (1916–2011) am 10. Oktober 2014
S. 41–46

I.) Zeedens Beitrag zur Reformations-, Konfessions- und Kulturgeschichte – Bedeutungsaspekte seines Werkes aus Sicht der heutigen Frühneuzeitforschung und Historiographiegeschichte

Franz Brendle
Luther, Zwingli und Calvin in den Forschungen Ernst Walter Zeedens
S. 47–58

Johannes Burkhardt
Das Konfessionsbildungskonzept von Ernst Walter Zeeden. Eine Erfolgsgeschichte und zwei Problemlösungen
S. 59–88

Michael Maurer
Die Revitalisierung der Kulturgeschichte durch Ernst Walter Zeeden
S. 89–110

II.) Rezeption des Reformations- und Konfessionshistorikers Zeeden auf internationaler Ebene und seine Rolle in der Institutionengeschichte

Richard J. Ninness
Chasing Zeeden's Ghost: The Past and Future Interpretations of the Formation of Confessions in North America
S. 111–134

Hans Eugen Specker
Forschungen zur Konfessionsbildung im 16. und 17. Jahrhundert. Der „Projektbereich Zeeden” im Sonderforschungsbereich 8 „Spätmittelalter und Reformation” an der Universität Tübingen
S. 135–148

III.) Erinnerungen an Zeeden als akademischen Lehrer

Hans Woidt
Ernst Walter Zeeden als akademischer Lehrer – Erinnerungen von Schüler*innen und Kolleg*innen
S. 149–158

Ernst Walter Zeeden im Bild
S. 159–176

IV.) Quellenedition zu Zeedens biographischer Selbstwahrnehmung und Datenbasis zu seinem Gesamtwerk

Markus Gerstmeier
Ernst Walter Zeedens „Rückblick auf 50 Jahre Universitätszugehörigkeit 1934–84” – die Abschiedsvorlesung von 1984 in einer Überarbeitung von 1997. Edition, Einleitung und Kommentar
S. 177–210

Markus Gerstmeier
Ernst Walter Zeeden – Publikationsverzeichnis 1940–2012: Selbständig erschienene Schriften, Herausgeberschaften, Buchkapitel, Aufsätze, Artikel, hilfswissenschaftliche und wissenschaftsorganisatorische Beiträge
S. 211–245

Antifrontispizbild und Abbildungsnachweise
S. 246–247

Dankesworte
S. 248

Verzeichnis der Autoren und Herausgeber
S. 249–250
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