Luther und die Evangelisch-Lutherischen in Ungarn und Siebenbürgen

Fata, Marta/Schindling, Anton (Hgg.)
Luther und die Evangelisch-Lutherischen in Ungarn und Siebenbürgen
Augsburgisches Bekenntnis, Bildung, Sprache und Nation vom 16. Jahrhundert bis 1918.
Unter Mitarbeit von Markus Gerstmeier
 
Bandnummer
167
Auflage
1. Auflage
Umfang
820 Seiten
Einband
gebunden
Erscheinungstermin
25.10.2017
Bestell-Nr
11599
ISBN
978-3-402-11599-2
Preis
78,00
hier geht's zum Ebook

Die lutherische Reformation und Konfessionsbildung im historischen Ungarn und Siebenbürgen waren, ähnlich wie das landestypische Reformiertentum, stark durch den Humanismus und das Denken Melanchthons beeinflusst. Die lutherischen Sprachgruppen – Deutsche, Slowaken, Magyaren, Slowenen, teilweise auch Kroaten – lebten bis 1918 in friedlicher, kulturell anregender Koexistenz. Sprache und Konfession waren im historischen Ungarn nicht deckungsgleich: Neben der Konfessionsbildung entwickelten sich auch in den einzelnen lutherischen Sprachgruppen konkurrierende Identitäten und Ordnungsvorstellungen. In der slowakischen Nationsbildung im 19. Jahrhundert spielte die lutherische Bildungselite eine ähnlich große Rolle wie im ungarischen Nations- und Staatsbildungsprozess die reformierte. Das Luthertum in Ungarn und Siebenbürgen, dessen Spezifik nur interdisziplinär begriffen werden kann, war auch stets in einen Kommunikationsraum des internationalen Luthertums eingebunden, den Migration und Wissenstransfer prägten.
Der Tübinger Tagungsband thematisiert am Ende der „Luther-Dekade“ 2007–2017 die internationale Wirkungsgeschichte der Wittenberger Reformation im historischen Ungarn und Siebenbürgen und deren geistes-, sozial- und kulturgeschichtliche Folgen. Das dortige Luthertum weist Spezifika auf, deren Besonderheit der interdisziplinäre Vergleich offenlegt. So war die lutherische Reformation in Ungarn und Siebenbürgen stark durch den Humanismus und das Denken Melanchthons beeinflusst – ganz ähnlich wie das landestypische Reformiertentum. Die lutherische Reformation verbreitete sich gleichermaßen unter Deutschen, Slowaken, Slowenen und Magyaren, teilweise auch unter den Kroaten. Die vier lutherischen Sprachgruppen lebten bis 1918 in friedlicher Koexistenz und bereicherten einander durch die wechselseitige Übernahme etwa von Übersetzungen oder Kirchenliedern. Sprache und Konfession waren im historischen Ungarn nicht deckungsgleich: So entwickelten sich neben der Ausdifferenzierung der einzelnen Konfessionen zeitweise auch innerhalb der einzelnen lutherischen Sprachgruppen konkurrierende Identitäten bzw. politische Auffassungen über Staat und Nation. In der slowakischen Nationsbildung im 19. Jahrhundert konnte die lutherische Bildungselite eine ähnlich große Rolle spielen wie die reformierte während des ungarischen Nations- und Staatsbildungsprozesses. Das Luthertum in Ungarn und Siebenbürgen war zudem von Anfang an integral in einen Kommunikationsraum des internationalen Luthertums eingebunden, der sich durch die Migration von Menschen und den Transfer von Ideen auszeichnete.

Über den Autor

Márta Fata, apl. Prof. Dr. phil. habil., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, außerplanmäßige Professorin am Seminar für Neuere Geschichte, Philosophische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen

Anton Schindling, Prof. em. Dr. phil. habil., bis 2015 ordentlicher Professor für mittlere und neuere Geschichte am Seminar für Neuere Geschichte, Philosophische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen, seitdem ebd. Seniorprofessor mit Schwerpunkt auf ostmitteleuropäischer Geschichte


Inhaltsverzeichnis

Márta Fata / Anton Schindling
Luther und die Evangelisch-Lutherischen in Ungarn und Siebenbürgen vom 16. Jahrhundert bis 1918
S. 11–32

Reformation, Konfessionsbildung und Kirchenverfassung

Volker Leppin
Die Formierung des siebenbürgischen Luthertums zwischen Wittenberg, Zürich und Genf
S. 33–56

Edit Szegedi
Von der reformatorischen Gemeinde zur Kirche Wittenberger Prägung. Die Durchsetzung des orthodoxen Luthertums in Siebenbürgen (um 1550–1650)
S. 57–90

Ulrich A. Wien
Politik – Macht – Glaube. Kontroversen, Konflikte und Konsensbemühungen in Siebenbürgen zwischen Landeskirche und Nationsuniversität von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
S. 91–110

Rudolf Leeb
Die lutherische Reformation in der westungarischen Grenzregion
S. 111–140

Márta Fata
Wo das Evangelium nicht gehet, da ist keine Kirche. Ursachen, Verlauf und Folgen der Binnenwanderung deutsch-lutherischer Siedler in der Batschka und in Syrmien im 19. Jahrhundert
S. 141–194

Karte 1: Die Evangelisch-Lutherischen in Ungarn anhand der Volkszählung von 1900
S. 195–196

Karte 2–3: Die evangelisch-lutherische Kirchenverwaltung vor 1894 und zwischen 1894 und 1918
S. 197–200

Bildung und Gelehrsamkeit

István Monok
Luthers und Melanchthons Werke in ungarländischen Bibliotheken des 16. und 17. Jahrhunderts
S. 201–222

Reinhard H. Seitz
Zur Rolle der Stadt Lauingen und des Fürstentums (Pfalz-)Neuburg bei der Gründung der evangelischen Kirchengemeinde in Pressburg 1606–1608
S. 223–242

Péter Kónya
Das evangelisch-lutherische Kollegium zu Eperies 1667–1920. Die Entwicklung der zentralen Schule der Lutheraner im Königreich Ungarn zwischen Religion und Politik, Stadt- und Staatsgeschichte
S. 243–276

Eva Kowalská / Markus Gerstmeier
Evangelische Exulanten aus dem Königreich Ungarn und der frühe Pietismus. Migration, Krisenbewältigung und religiöser Wissenstransfer zwischen ungarischen und deutschen Zentren des Luthertums im 17. Jahrhundert
S. 277–318

László Szelestei Nagy
Erneuerer versus Traditionalisten? Ungarländische Schüler von August Hermann Francke als Vermittler pietistischer Impulse im Königreich Ungarn
S. 319–342

Judit Bogár
Evangelisch-lutherische Gelehrsamkeit in Oberungarn im 17. und 18. Jahrhundert. Eine bildungs- und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung Georg Buchholtz' des Jüngeren (1688–1733)
S. 343–376

Sprache, Konfession und Nationsbildung

Zoltán Csepregi
Ethnische versus konfessionelle Identitätsbildung im Königreich Ungarn von der Reformation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Überlegungen zur Mehrsprachigkeit, muttersprachlichen Identität und Übersetzungspraxis
S. 377–406

France M. Dolinar
Konfession und Sprache bei den Slowenen im Übermurgebiet von der Reformation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
S. 407–429

Das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. von 1781

Karte 4: Neu gegründete evangelisch-lutherische Kirchengemeinden zwischen 1781 und 1848
S. 430–434
Abbildungsteil
S. 435–438

Mátyás Kéthelyi
Die dreisprachige evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in der Stadt Ofen-Pest zwischen 1787 und 1833/34
S. 439–476

Peter Šoltés
Die Rolle der evangelisch-lutherischen Konfession im sprachlichen und nationalen Gruppenbildungsprozess der Slowaken in der ersten Hälfte des „langen“ 19. Jahrhunderts
S. 477–498

Tibor Pichler
Nation und Modernisierung im Diskurs slowakischer Lutheraner im Vormärz
S. 499–518

Botond Kertész
Der Begriff der ‚Freiheit‘ bei evangelisch-lutherischen Publizisten der ungarischen Reformzeit und der Revolution 1848/49
S. 519–548

Krista Zach ✝
Die ‚Volkskirche‘ der Siebenbürger Sachsen im 19. Jahrhundert und am Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Entstehung eines Mythos'
S. 549–576

Erscheinungsformen des kirchlichen Lebens

Gyula Pápay
Jakob Lucius der Ältere (um 1530–1597). Ein evangelisch-lutherischer Drucker, Formschneider und Zeichner aus Siebenbürgen
S. 577–586

Márta Fata
Artikular-, Hecken- und Toleranzkirchen der Lutheraner. Phänomene des evangelischen (protestantischen) Kirchenbaus im Königreich Ungarn vom 17. Jahrhundert bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
S. 587–610

Béla László Harmati
Kanzelaltäre und Emporenbilder in evangelisch-lutherischen Kirchen in Transdanubien (Ungarn)
S. 611–616

Evangelisch-lutherische Kirchen und Kanzelaltäre. Abbildungsteil
S. 617–644

Gabriella H. Hubert
Ungarischsprachige lutherische Gesangbücher der Frühen Neuzeit. Entstehung, Verbreitung und Verflechtungen mit den Gesangbüchern der ungarischen Reformierten und der anderssprachigen Lutheraner im Königreich Ungarn
S. 645–668

Timea Benkő
Der Versuch einer Vereinheitlichung des lutherischen Gottesdienstes in der Habsburgermonarchie unter Joseph II. Der Pressburger Agendenentwurf von 1784 im Königreich Ungarn
S. 669–692

Julia Krämer-Riedel
Palatinessa Maria Dorothea von Württemberg (1797–1855) als Mitbegründerin der ungarischen Sozialfürsorge
S. 693–720

Luther-Reliquien, Reformationsjubiläen und -darstellungen

Miklós Czenthe / Márta Fata
Die Überlieferung des Vermächtnisses von Martin Luther in Ungarn. Zum handschriftlichen Testament des Reformators von 1542 im Budapester Evangelischen Landesarchiv
S. 721–736

Abbildungsteil mit Beiträgen von Márta Fata, Béla László Harmati, Emese Tömösvári und Ágnes Ziegler
S. 737–762

Luther und die Evangelisch-Lutherischen im Donau- und Karpatenraum

Karl W. Schwarz
Solidarität und Einheit der Protestanten? Integration und Kooperation in den protestantischen Kirchen im Donau- und Karpatenraum – einst und heute
S. 763–788

Anhang

Ortsnamenverzeichnis
S. 789–800

Personenverzeichnis
S. 801–814

Verzeichnis der Abbildungen und Karten
S. 815–816

Autorenverzeichnis
S. 817–820
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