Wie wurde im Katholizismus des 16. Jahrhunderts gepredigt? Noch dazu, wenn die Prediger religiöse, soziale oder gesellschaftliche Bedrohungen in ihrem jeweiligen Lebensraum wahrnahmen und in ihren Predigten von der Kanzel sowie in schriftlicher Form kommunizierten?
Anhand der volkssprachlichen Verkündigung des Eichstätter Weihbischofs Leonhard Haller (* 1500; † 1570) und des Jesuiten Georg Scherer (* 1540; † 1605) werden in dieser Studie exemplarisch Predigtmodi mit ihren Strategien und Zielen angesichts verschiedener Bedrohungen analysiert. Durch die biographische und homiletische Analyse der beiden Prediger entsteht ein theologie-, liturgie- und sozialgeschichtliches Panorama, das Einblicke in die verschiedenen Phasen des vortridentinischen und konfessionell-katholischen Umgangs mit den Herausforderungen der Reformation gibt. Dabei entsteht ein kontrastreiches Bild, wie die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Bedrohungen von den beiden Predigern wahrgenommen wurden. Dadurch wird die Transformation homiletischer Praxis im frühneuzeitlichen Katholizismus greifbar, kann im Gesamtgefüge nachreformatorischer Kirchenpolitik und Pastoral- und Liturgiegeschichte verortet werden und liefert einen spezifischen Beitrag zu gegenwärtigen Debatten der Konfessionalisierungsforschung.
Über den Autor
Joachim Werz, Dr. theol, war nach seinem Studium von 2015 bis 2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ und wurde mit der vorliegenden Dissertation an der Kath.-Theol. Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen promoviert. Er vertritt die Professur für Kirchengeschichte am Fachbereich Kath. Theologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seine Forschungsschwerpunkte sind der frühneuzeitliche Katholizismus sowie die Predigt-, Ordens- und Missionsgeschichte.