Der Wunderbegriff ist in Philosophie und Theologie ebenso wie im alltäglichen Denken der Gegenwart unter Druck geraten. Vielfach scheint es kaum noch möglich zu sein, ein Wirken Gottes in Welt und Geschichte verständlich zu machen. Das gilt besonders dann, wenn Gott als personales Wesen verstanden wird, das unvermittelt in die Welt eingreift.
Die vorliegende Studie möchte solche Problemstellungen aufbrechen, indem sie bei einer verschüttet gegangenen Denkform ansetzt: Mit Augustinus sollen Wunder als Potentialitäten verstanden werden, die Gott bereits im ursprünglichen Schöpfungsakt grundgelegt hat. Ihre Realisierung bewirkt er deshalb nicht direkt-wirkursächlich, sondern sieht sie im Rahmen seiner Vorsehung voraus. Diese Denkform gilt es nun mit den Mitteln der analytischen Metaphysik näher zu explizieren. Dabei kann das Wirken Gottes formalursächlich gedeutet und mithilfe des Emergenzkonzepts verständlich gemacht werden. Wunder lassen sich in diesem Kontext als bislang einmalig oder selten realisierte Dispositionen in der Welt verstehen, wobei ihr Auftreten keine Verletzung von Naturgesetzen darstellt. Damit weitet sich die Perspektive auf das zugrundeliegende Gotteskonzept: Gott verwirklicht die perfekten Attribute seines Wesens im formalursächlichen Beitrag zu emergenten weltimmanenten Prozessen.
Innerhalb dieses Paradigmas kann schließlich versucht werden, eine doppelte Reintegration des Wunders sowohl in eine konsistente Theorie des Wirkens Gottes in der Welt als auch in die konkrete Geschichte kosmologischer Entwicklung auf der metaphysischen Höhe der Zeit zu leisten.
Über den Autor
Martin Blay, geboren am 4. März 1990 in Füssen, Studium der Theologie, Anglistik/Amerikanistik und Erziehungswissenschaften in Augsburg, Birmingham (UK), Regensburg und Dayton (OH/USA), 2015-2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Regensburg, seit 2017 Pastoralassistent in Königsbrunn im Bistum Augsburg