Den Mittelalterbildern der Neuzeit wird in diesem Band gesammelter Studien kein eigentlich neues hinzugefügt, hingegen ein altbekanntes nach Tiefe und Weite der Aspekte neu erschlossen. Von Hause aus Germanist, versucht der Autor, theologische, ideologische und mentale Gegebenheiten der mittelalterlichen, vornehmlich deutschsprachigen Literatur eindringlich in ihren inneren Zusammenhängen zu erschliessen. Vier Themenbereiche ergeben sich zwanglos als Konstituanten des «geistlich» gedeuteten Mittelalters: die Stellung des Menschen vor Gott (in ihren entscheidenden Positionen von Selbst- und Gotteserkenntnis), der Mensch angesichts seiner Grundbefindlichkeit vor Leben und Tod (im «Parzival» Wolframs von Eschenbach, in der Kreuzzugsdichtung usf.), die Vorgegebenheit von Wort und Sprache im Rahmen der mittelalterlichen Mystik (vor allem Meister Eckharts) und schliesslich die Tatsache einer höchsten Entfaltung geistlichen Lebens im Mittelalter in Form einer theologisch erstaunlichen mystischen Überlieferung kontemplativer Haltungen, die in diesem Band nach ihrer theoretischen und praktischen Seite hin vorgestellt werden. Dass dabei Meister Eckhart immer wieder zentral gegenwärtig wird, entspringt nicht nur der Vorliebe des Autors, sondern entspricht den historischen Gegebenheiten, die diesem Meister sowohl philosophischer wie theologisch-mystischer Denk- und Lebenszusammenhänge mit Recht eine zentrale Stellung im 14. Jahrhundert einräumten.