Der Sammelband vereint Beiträge, die dem Andenken an den Philosophiehistoriker Thomas Ricklin gewidmet sind und an dessen Arbeit anschließen. Die Texte befassen sich mit der Erforschung der Philosophie- und Kulturgeschichte des Mittelalters, der Renaissance und der Frühen Neuzeit und bieten ein Panorama der verschiedenen Dimensionen dessen, was Weisheit und Philosophie in diesen Epochen bedeuteten. Im Zentrum stehen Dante und Boccaccio, wobei insbesondere deren Lehre vom „Schleier“ der poetischen Sprache, unter dem die Wahrheit verhüllt sei, in einer Reihe von Studien untersucht wird. In diesem Kontext widmen sich weitere Beiträge den Konzepten einiger der wichtigsten Denker des Mittelalters, wie Boethius von Dacien, Roger Bacon, Johannes von Wales, Meister Eckhart und Pietro d’Abano, dessen „Differentia prima“ hier zum ersten Mal in einer kritischen Edition vorgelegt wird. Außerdem wird die Überlieferung und Auslegung der antiken Exempla als viel zu lange vernachlässigter Teil der Philosophiegeschichte in den Fokus gerückt. Des Weiteren thematisieren die Beiträge Autoren und Texte, die philosophische Fragen verhandeln, ohne den paradigmatischen Formen des Kommentars oder der Summa zugerechnet werden zu können, weil sie Sprach- und Genregrenzen überschreiten, wie Giordano da Pisa, Jodocus Eichmann und Henry More. Weitere Beiträge, die sich mit Philosophinnen und Historikerinnen der Renaissance und Frühen Neuzeit beschäftigen, verschaffen den weiblichen Stimmen in von Männern dominierten Diskursen Gehör.
Über den Autor
Christian Kaiser | Wiss. Assistent am Institute for Medical Humanities der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Studium der Philosophie, Byzantinistik, Soziologie und Pädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München; Doktorarbeit über die Philosophenbiographien des Diogenes Laertios; Promotion betreut durch Thomas Ricklin.
Leo Maier | Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Katholischen Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München; Doktorarbeit über die Lehre von der Verlängerung des Lebens in Roger Bacons Philosophie.
Oliver Schrader | Studium der Philosophie, Latinistik, Informatik und Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Inhaltsverzeichnis
Christian Kaiser / Leo Maier / Oliver Schrader
Prolog zum Gedenken an Thomas Ricklin (1963–2016): Das „volle Leben“ des Philosophiehistorikers
S. 1–18
Schriftenverzeichnis von Thomas Ricklin
S. 19–34
Claudia Märtl
Zum Wahrheitsanspruch mittelalterlicher Geschichtsschreiber
S. 35–56
Silvana Vecchio
Socrates ludens. Gioco e svago negli exempla filosofici
S. 57–70
Alessandra Beccarisi
The critical edition of the Compendiloquium by John of Wales
S. 71–88
Leo Maier
Wer hat die Bücher der Philosophen bezahlt? Roger Bacon über das Problem, sein Werk zu finanzieren
S. 89–120
Luisa Valente
”Concives angelorum“ e ”concives iumentorum“. Filosofi e uomini-animali nel pensiero del XII secolo latino
S. 121–148
Luca Bianchi
Dreamers, philosophers and physicians: Boethius of Dacia and the conjectural character of natural sciences
S. 149–160
Carla Casagrande
”Acordossi Cristo con Aristotile“. Storie di filosofi nella predica sulla felicità di Giordano da Pisa O.P.
S. 161–172
Gianluca Briguglia
Roma contro Roma. Immagini e figure di Roma nelle ideologie politiche del Due-Trecento
S. 173–190
Christian Kaiser / Peter Schenkel
Pietro d'Abano über die Bedeutung der theoretischen Wissenschaften für den Arzt (mit einer kritischen Edition und Übersetzung der Differentia prima des Conciliator)
S. 191–248
Fabian Prechtl
Unter dem Kleid der Wahrheit: der nackte Gott – Metaphern der Nacktheit und Entblößung bei Meister Eckhart
S. 249–278
Florian Mehltretter
Der Soundtrack der Commedia. Zur Legitimität einer Forschungsfrage
S. 279–314
Gisela Seitschek
'l velo è ora ben tanto sottile (Purg. VIII, 20). Verkörperung und Verschleierung in Dantes Divina Commedia
S. 315–332
Johannes Bartuschat
Zu Dichtung und Philosophie bei Boccaccio
S. 333–350
Oliver Maximilian Schrader
Jodocus Eichmanns Katharinenpredigt von 1459 im Kontext des Heidelberger Frühhumanismus. Analyse und Edition
S. 351–386
Christina Abenstein
Platonicorum Deliramenta. Scharfsinn und Irrsinn der Platoniker in der Vorstellungswelt Bessarions und Georgs von Trapezunt
S. 387–406
Nina Niedermeier
Das nachtridentinische Heiligenporträt post mortem: Ignatius von Loyola und die konkurrierenden Erinnerungsbilder seiner figli spirituali
S. 407–432
Sabrina Ebbersmeyer
Weibliche Neugier – Zur Re-Interpretation eines problematischen Begriffs in Renaissance und früher Neuzeit
S. 433–456
Myrtha de Meo-Ehlert
Tra monumenti e rovine, tra manoscritti ed edizioni. Interpretazione di un'annotazione cinquecentesca del manoscritto chigiano L. V. 176
S. 457–478
Cecilia Muratori
Better Animal than Human: The Happy Animal and the Human Animal in the Renaissance Reception of Aristotle
S. 479–500
Alain de Libera
Poésie et philosophie: Henry More. La critique du monopsychisme averroïste dans A Platonick Song of the Soul
S. 501–526
Annika Willer
Der freie Wille, gebrochene Gelübde und Dante in Arcangela Tarabottis La semplicità ingannata
S. 527–540
Angela Oster
Auf der frühneuzeitlichen Überholspur, an Italien vorbei: Hercule gallique und die Kulturpolitik Frankreichs auf dem Weg zur Klassik
S. 541–566
Sandra Plastina Ricklin
Clio's Daughters: English Female Historians of the XVIIIth Century
S. 567–582
Gabriele K. Sprigath
Die Macht des Mythos: Ernst Cassirers Fragen
S. 583–596
Ruedi Imbach
Epilog: „Che, non men che saver, dubbiar m'aggrata“ – Gedanken zur Aufgabe des Lehrers in Erinnerung an Thomas Ricklin
S. 597–606
Abbildungsverzeichnis
S. 607–610
Personenverzeichnis
S. 611–622