Die neuen Forschungen zum Josephinismus konzentrieren sich auf die kirchen-, verwaltungs-, rechts- oder bildungshistorischen Themen, klammern jedoch Fragen der Migrationsbewegungen als ein Relikt der Geschichtswissenschaft aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gänzlich aus. Doch Wanderungsbewegungen, vor allem staatlich intendierte Siedlungsbewegungen, weisen im Karpaten- und Donauraum schon seit dem Mittelalter eine wichtige wirtschaftliche, sicherheitspolitische und nicht zuletzt gesellschaftsstrukturierende Funktion auf. Diese Feststellung gilt besonders für das 18. Jahrhundert, als Maria Theresia und Joseph II. umfassende Reformen in der Habsburgermonarchie einleiteten. Zentrale Bedeutung dabei erhielten die zahlenmäßige Vermehrung der Bauern und die Verbesserung ihrer Rechtslage mit dem Ziel, die ökonomischen Grundlagen des Staats nach den durch Preußen erlittenen militärischen Niederlagen zu erweitern und zu verstärken. Zu diesem Zweck wurden in der Habsburgermonarchie – ähnlich wie in Preußen – die Methoden der Landparzellierung und der intendierten Einwanderung angewandt. Die Siedlungsmigration deutscher Kolonisten fungierte als ein wichtiges Mittel der Modernisierung in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, welche ab den 1760er-Jahren auch in der östlichen Hälfte der Habsburgermonarchie in Gang gebracht worden war und die unter Joseph II. in den 1780er-Jahren sowohl in Ungarn als auch in Galizien an Dynamik gewann. Die Studie beleuchtet neben der Funktion der Siedlungsmigration im kameralistischen Staat zugleich die Herrschaftspraxis des aufgeklärten Absolutismus am Beispiel Josephs II.
Über den Autor
PD Dr. Márta Fata ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde der Universität Tübingen.