Mit der Ruhrchemie AG wollte der Ruhrbergbau seinen Einfluss auf dem deutschen Stickstoffdüngermarkt unabhängig von der Koksproduktion stärken. Zahlreiche bedeutende Montanunternehmen des Ruhrgebiets gründeten das Gemeinschaftsunternehmen für Kohlechemie 1927. Doch bereits 1929 geriet die Firma im Zuge der Weltwirtschaftskrise in Schwierigkeiten, die erst mit einem zweiten Produktionsstandbein im Rahmen der NS-Autarkiepolitik überwunden werden konnten: der Herstellung flüssiger Kohlenwasserstoffe nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren. Dabei brachte der Ruhrchemie nicht die Anwendung des Fischer-Tropsch-Verfahrens, sondern dessen Lizenzierung enorme Gewinne.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Ruhrchemie auch das von Karl Ziegler und Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung entwickelte Polyethylen-Verfahren bei Normaldruck und entwickelte es technisch weiter in Konkurrenz zur Farbwerke Hoechst AG. Das Zeitalter der Kohlechemie endete jedoch 1966, nachdem die Vorprodukte nicht mehr aus Koksgas sondern auf petrochemischem Weg gewonnen wurden. Mit dem Rückzug des Bergbaus aus dem früheren Gemeinschaftsunternehmen gewann Hoechst, einstiger Konkurrent der Ruhrchemie, immer mehr Einfluss auf das Unternehmen, das es 1988 ganz übernahm.
Über den Autor
Prof. Dr. Manfred Rasch ist ehemaliger Leiter Corporate Archives, thyssenkrupp AG, Duisburg.