Die homerischen Epen Ilias und Odyssee stehen am Anfang der uns erhaltenen europäischen Literatur. Verwurzelt in der Tradition mündlicher Dichtung, sind sie in ihrem Wesen als literarische Werke und damit zugleich auch als sprachliche Äußerungen ihrer Zeit anzusehen. Hierdurch ist die homerische Kunstsprache auch als empirische Grundlage für linguistische Forschungen geeignet.
Die vorliegende Arbeit untersucht Ilias und Odyssee auf das Vorkommen von Phänomenen sprachlicher Höflichkeit hin. Hierfür legt sie die bei Homer ausgesprochen häufig erscheinenden wörtlichen Reden zugrunde. Im Mittelpunkt stehen die verschiedenen Ausformungen direktiver Sprechakte, also von Bitten und Aufforderungen.
Das Hauptgewicht liegt auf der Entwicklung eines zweistufigen Höflichkeitsschemas in homerischen Aufforderungen. Dieses wird durch die innere Struktur wörtlicher Reden geschaffen und kann als spezifisches Mittel konventionalisierter Höflichkeit bei Homer gewertet werden. Es durchzieht Ilias und Odyssee in ihrer Gänze und erlaubt eine detaillierte Charakterisierung verschiedener Konstellationen zwischen den sprechenden Personen sowie eine feingliedrige Einordnung in den jeweiligen Kontext.
Darüber hinaus werden ausführlich die Möglichkeiten und Grenzen höflicher Ausdrucksformen in einer Literaturgattung wie dem homerischen Epos abgewogen und auch Homers Gebrauch der verbalen Modi auf etwaige Höflichkeitsmuster untersucht.
Über den Autor
Andreas Bedke studierte Klassische Philologie, Linguistik und Romanistik in Münster und Bologna. Mit der vorliegenden Arbeit wurde er im Jahre 2015 promoviert. Von ihm ist bereits bei Aschendorff erschienen: Anthropologie als Mosaik. Die Aufnahme antiker Philosophie durch Gregor von Nyssa in seine Schrift De hominis opificio (Münster 2012).