„Scheitern“ und „Lehren aus dem Scheitern“ sind Lieblingsthemen einer umfassenden Ratgeberliteratur. Zeitschriften und Bücher unterschiedlicher Ausrichtung wenden sich der individuellen Erfahrung des Scheiterns zu, der jeder Mensch – in der Regel mehrfach – in seinem Leben ausgesetzt ist. Das klassisch-kategoriale Narrativ des „Scheiterns“, das viele Darstellungen seit der Antike durchzieht, hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten nachhaltig verändert. Inzwischen gibt es eine breite wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema „Scheitern“: Vor allem die Technik-, Verkehrs- und Wirtschaftsgeschichte und zunehmend auch die Kultur- und Sozialwissenschaften haben gezeigt, dass eine enge Verzahnung zwischen Erfolg und Scheitern besteht, die sich in unterschiedlichen individuellen Erfahrungen und einer spezifischen Historizität temporärer Beurteilungen niederschlägt.
Wie aber kann die Regionalgeschichte diese „Wiederentdeckung“ des Scheiterns für ihre Themen nutzen? Die Region ist vor allem deshalb ein naheliegendes und besonders geeignetes Untersuchungsobjekt, weil Verwaltungen, Verbünde und Netzwerke hier als Vermittler und Förderer jener Ideen und Projekte fungieren, die auf einer unteren Ebene allein und selbständig kaum zu realisieren wären: etwa die Planung größerer Bauvorhaben, die Veränderung von Verkehrskonzepten, die Einführung technischer Innovationen, Ansiedlungsversuche von Institutionen oder Firmen, kulturelle oder sportliche Großveranstaltungen und Events. Die Beiträge des Themenschwerpunkts rekonstruieren anhand solcher Beispiele nicht nur das Zusammenwirken von Störfaktoren und Fehleinschätzungen, sondern auch die Wahrnehmungen und die Normalität bzw. Alltäglichkeit des tatsächlichen oder vermeintlichen Scheiterns.
Der Band geht in weiteren Beiträgen auf die Frage der individuellen Handlungsmacht von Beteiligten der Revolution 1848/49, auf die Wahlen in Herne unter den Bedingungen des Dreiklassenwahlrechts, die Selbstbehauptung und Anpassung der lokalen Presse während der NS-Zeit, das Verhältnis von SPD und Kirchen bis in die Zeit der Bundesrepublik (mit regionalen Beispielen) sowie auf das Phänomen der Flohmärkte in Westdeutschland mit ihren unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten ein. Berichte über Forschungsprojekte – u.a. zu den Antijansenisteneiden im Fürstbistum Münster, zur Anwendung von pharmazeutischen Präparaten in der Heimerziehung der 1950er bis 1970er Jahre und zu den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Westfalen zwischen 1960 und 1990 ergänzen die Themenauswahl. Tagungsberichte sowie die Jahresberichte der Kommissionen, Zeitschriftenschau und Buchbesprechungen beschließen den Jahresband 2024.