Bis heute ist das sogenannte Hofheimer Mess-Festival in der Erinnerung und Wahrnehmung vieler Katholikinnen und Katholiken im Bistum Limburg und darüber hinaus ein Skandal. Über 650 Jugendliche waren im Juni 1971 zum Jugendgottesdienst nach Hofheim im Taunus (Bistum Limburg) gekommen. Durch die Ausrichtung eines christlichen Festivals mit zeitgenössischer Kirchenmusik sollte die Kirche vor Ort in einer neuen, den Bedürfnissen der Jugendlichen entsprechenden Form gottesdienstlichen Feierns und kirchlichen Miteinanders erfahrbar werden. Schnell wurde das innovative pastoral-liturgische Konzept, das durch die mediale Berichterstattung bundesweit Aufsehen erregte, zur Zerreißprobe diözesaner Einheit: Der Limburger Bischof Wilhelm Kempf musste sich zwischen konziliarer Begeisterung und Treue zum Lehramt der Kirche positionieren und geriet dabei selbst ins Kreuzfeuer innerkirchlicher und theologischer Auseinandersetzungen.
Das Ereignis, die verschiedenen Akteure und die mediale sowie kirchliche Rezeption des Mess-Festivals werden in der vorliegenden Studie erstmals theologie-, liturgie-, kirchenmusik-, medien- und auch skandalhistorisch untersucht und dabei in die vielfältigen Aufbrüche des bundesrepublikanischen Katholizismus in Gesellschaft, Theologie und Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) eingebettet. Es wird nicht nur ein singuläres Beispiel pastoraler, liturgischer und kirchenmusikalischer Versuche kirchlicher Jugendarbeit dieser Zeit erschlossen, sondern auch ein zentraler Erinnerungsort des 1827 gegründeten Bistums Limburg ins Gedächtnis gerufen: Das Hofheimer Mess-Festival stellt eines der entscheidenden und prägenden Ereignisse für die Identitätsbildung des Bistums an der Lahn im 20. Jahrhundert dar, von dem aus spätere Geschehnisse, Konflikte und Skandale in der Bistumsgeschichte erschlossen und interpretiert werden müssen.
Über den Autor:
Joachim Werz, Dr. theol., leitet die Forschungsstelle „Ordensgeschichte seit der Frühen Neuzeit“ und ist Generalsekretär der Walter-Hallstein-Akademie zu Frankfurt am Main.